Franziskus schreibt uns:
Ihr Schwestern und Brüder,
zusammen mit der ganzen Schöpfung,
zusammen mit Schwester Sonne und
Bruder Mond,
zusammen mit Bruder Wind und Luft,
zusammen mit Schwester Wasser und
Bruder Feuer,
zusammen mit der Mutter Erde
loben wir den Herrn, den Höchsten,
den Gott unseres Lebens.
Schön, dass Ihr Euren Gottesdienst mit
diesem Loblied eröffnet habt.
Wir dürfen es nie vergessen:
Gott erhält alle Geschöpfe am Leben,
er ist freundlich und stark, ihm gebührt
alle Ehre, alles Lob, aller Ruhm,
von ihm stammt aller Segen.
Ja, genau so habe ich einmal gesungen.
Was Ihr vielleicht nicht wisst:
Als ich dieses Lied am Ende meines
Lebens schrieb,
war ich von einer Augenkrankheit
schwer
gezeichnet und
musste in einer abgedunkelten Hütte
ohne Tageslicht leben.
Doch, wenn auch meine Augen mir nicht
mehr den Blick auf die Welt erlaubten,
so erinnerten sich meine inneren Augen
an all die Schönheit,
die ich vorab erleben durfte.
Von innen heraus konnte ich,
der geringste Diener Jesu,
vom Lob Gottes künden
und ich freue mich,
dass ihr die Worte meines Liedes in
Ehren haltet.
Wahrlich, in ihnen klingt die ganze
Schöpfung im Preis Gottes zusammen.
Das war am Ende meines Lebens,
gleichsam der krönende Abschluss, den
ich erleben durfte.
Davor lagen unruhige Zeiten,
meine Jugend,
als ich,
vom reichen Vater verwöhnt,
ein ausschweifendes Leben führte und
zum Helden werden wollte,
um alle Feinde meiner Heimatstadt Assisi
zu besiegen.
Held bin ich nicht geworden,
aber zum Diener aller und
das ist eine lange Geschichte.
Denn zuerst lag ich im Gefängnis von
Perugia.
Die feindlichen Nachbarn waren stärker.
Genau diese Zeit der Gefangenschaft in
der Dunkelheit des Verlieses
führte zu meiner Bekehrung.
Da hatte ich den entscheidenden Traum
meines Lebens.
Ich hörte eine Stimme,
ich spürte den Herrn,
ich wurde von Christus ergriffen:
„Franz, stell meine verfallene Kirche
wieder her!“
Als ich frei gekauft wurde,
bezog ich diesen Auftrag
auf das Kirchlein San Damiano
in meiner Heimatstadt,
das im Laufe der Jahrhunderte schweren
Schaden genommen hatte.
Doch der Herr wollte mich für eine andere
Aufgabe,
er wollte mich und meinen ganzen
Einsatz für die Reform der Kirche.
Dazu müsst ihr wissen,
dass die Kirche in den Regionen meines
Heimatlandes
zu meiner Zeit
sehr reich war, voller Prunk und Pracht.
Die Bischöfe und Pfarrherren waren
darauf aus,
Macht, Ansehen und Reichtum zu
gewinnen.
Die Verkündigung des Evangeliums
war ihnen zur Nebensache geworden.
Sie waren nicht wie Schwestern und
Brüder in der Gemeinschaft aller
Glaubenden,
sondern verstanden sich als die Herren.
Den Auftrag Jesu, Diener aller zu sein,
erfüllten sie nicht.
Nur auf den eigenen Vorteil bedacht,
kümmerten sie sich nicht um die Armen.
Das war nicht die Kirche, die Jesus
gewollt hat.
Als ich das erkannte,
war mein Weg vorgezeichnet.
Ich wollte der Geringste werden, arm wie
Christus selbst,
Knecht und Diener aller.
Ich begann die Leprakranken meiner
Heimatstadt zu pflegen,
was meinen reichen Vater entsetzte.
Wir hatten eine harte
Auseinandersetzung,
aber mein Glaube und meine Bindung an
Christus waren mir
wichtiger geworden als meine Familie.
So verzichtete ich auf mein Erbe,
um ganz arm mit den Armen zu leben,
ganz schwach mit den Schwachen
solidarisch zu sein,
doch voller Liebe und Fürsorge,
wie es Jesus uns gezeigt hat.
Seine Worte waren für mich
entscheidend:
Die Könige herrschen über ihre Völker,
und die Mächtigen lassen sich
Wohltäter nennen.
Bei euch aber soll es nicht so sein,
sondern der Größte unter euch soll
werden wie der Kleinste,
und der Führende soll werden wie der
Diener.
Ich verstehe mich also in der Nachfolge
Jesu als der Diener aller,
als der kleine Bruder Franziskus, als Euer
Bruder.
Schon bald kamen andere junge Männer
zu mir,
wir bauten uns einfache Hütten und eine
kleine Kapelle.
Miteinander wollten wir die Gemeinschaft
der minderen Brüder bilden;
Meinen Brüdern gab ich eine
Ordensregel,
in deren erstem Satz es heißt:
„Ebenso soll kein Bruder Macht oder
Herrschaft ausüben.“
Mein Lebensweg kann Euch ein Ansporn
sein,
eure Lebensweise zu überprüfen:
Seid auch ihr – entsprechend eurer
Möglichkeiten –
Diener und Dienerinnen aller?
Seid auch ihr Jüngerinnen und Jünger
des Herrn,
der sich bis zum Tod
für die Menschen eingesetzt hat?
Bildet auch ihr eine Kirche, die ohne
Macht und Herrschaft auskommt,
die eine Familie Jesu ist?
Seid auch ihr Schwestern und Brüder,
einander in Achtung und Liebe zugetan?
Das allein ist Reform der Kirche und alles
andere, von großen Bauten und
prachtvollen Gewändern bis zu
großartigen Titeln und machtvollen
Ansprüchen der Kirchenführer,
ist nichts als Menschenwerk,
das vergeht und vor dem großen Gott
keinen Wert hat.
Seid nach dem Willen Jesu Schwestern
und Brüder,
die füreinander einstehen.
Dadurch allein erneuert ihr eure
verfallende Kirche.
Von mir werden so mancherlei Legenden
erzählt, etwa die, dass ich den Vögeln
das Evangelium gepredigt habe. Oder die
vom Wolf, der die Stadt Gubbio bedrohte
und den ich besänftigen konnte.
Solche Legenden verweisen auf meine
Liebe zur großartigen Schöpfung Gottes
Und darauf, dass wir als Christen
diese Schöpfung bewahren müssen.
Am schönsten untern allen Legenden ist
aber die,
wie ich Weihnachten gefeiert habe:
Ich wollte Jesu Geburt möglichst genau
so erleben, wie sie in Bethlehem
geschehen ist.
So baute ich mit meinen Brüdern in der
Kirche von Assisi
einen Stall aus Holz,
ließ Stroh und Heu herbeischaffen
und stellte sogar einen Ochsen und einen
Esel hinzu.
Auch kamen Hirten mit ihren Schafen.
So entstand die erste „Weihnachtskrippe“.
Es entstand ein Brauch,
den ihr weiterhin pflegt.
Zum Schluss meines Briefes beschwöre
ich, Bruder Franziskus, euch:
Nehmt die Worte Jesu auf
und setzt sie in die Tat um!
Die Schöpfung Gottes braucht
euch!
Friede und Heil!
Euer kleiner Bruder Franz
Quelle unbekannt
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