Franziskus von Assisi
Giovanni Bernardone
war der Sohn eines wohlhabenden Kaufmannes und
seiner französischen
Ehefrau; das Elternhaus kann bis heute besichtigt werden. Als
Jüngling bekam er den Rufnamen
Francesco wegen seiner von der Mutter geerbten Vorliebe für die
französische Sprache
und ritterlich-höfisches Leben. Er führte ein fröhliches und
sorgloses Leben
und wollte Ritter
werden. Nach
einer Schlacht zwischen Assisi und Perugia wurde er über ein Jahr in
Perugia festgehalten und litt während seiner Gefangenschaft an einer
schweren Krankheit, die ihn zu seiner Bekehrung führte. 1203 wurde
er aus der Gefangenschaft befreit, kehrte nach Assisi zurück,
unternahm eine Wallfahrt nach Rom und und pflegte Leprakranke.
Für die
Wiederherstellung der kleinen Kirche S. Damiano verkaufte Franziskus
im Jahr 1205 einige Tuchballen aus dem Besitz seines Vaters und
wurde von diesem zur Rede gestellt; Franziskus entledigte sich der
Überlieferung nach als Antwort vor den Augen des Bischofs und einer
großen Menge Zuschauer aller seiner Kleider und entsagte dem Erbe
mit den Worten "Weder Geld noch Kleider will ich von dir, von jetzt
an nenne ich nur noch einen Vater, den im Himmel!" Er rannte nackt
aus der Stadt und verabschiedete sich so von Herkunft und
Gesellschaft. 1207 bis 1209 führte er ein Einsiedlerleben, während
dessen wird ihm der Aufbau von zwei anderen zerstörten Kirchen
zugeschrieben.
Während einer Messe
im Jahr 1208 soll Franziskus eine Stimme vernommen haben, die ihn
mit dem Wortlaut des Matthäusevangeliums aufforderte, in die Welt zu
gehen, allem Besitz zu entsagen und Gutes zu tun (Matthäusevangelium
10, 5 - 14). Alte Freunde neckten ihn, seine Braut heiße nun
"Armut". Die Berufung zur Armut, zu hilfreicher Tat und Predigt
legte er seiner Regel mit der Gründung des "Ordens der
Minderbrüder", "Minoriten" 1209/10 zugrunde: er versammelte zwölf
Apostel um sich, die die ersten Brüder des späteren "Ersten Ordens"
der Franziskaner wurden und Franz zu ihrem Oberhaupt wählten.
Zunächst wurde
Franziskus für verrückt erklärt, doch faszinierte Franziskus' tiefer
Ernst, seine glühende Liebe zu Gott und zur Schöpfung, seine
Zuneigung zu den Menschen immer mehr. Er verzauberte die Menschen
geradezu. Wenn er in die Stadt kam - so wird berichtet -, ließen die
Leute die Glocken läuten, die Geistlichen freuten sich, die Männer
frohlockten, die Frauen freuten sich mit, die Kinder klatschten in
die Hände und zogen Franziskus mit Blätterwedeln entgegen, so wie
damals die Jerusalemer Jesus entgegenzogen; er wurde wie aus einer
anderen Welt kommend angesehen und verehrt. Die ersten, einfachen,
später verloren gegangenen Ordensregeln wurden 1210 von Papst
Innozenz III. mündlich gebilligt, nachdem er die Vision eines zu
seinen Füßen aufwachsenden Palmbaums hatte, in der ein armer
unbekannter Mönch die berstenden Mauern der Laterankirche stützt.
1212 nahm
Franziskus Klara von Assisi, eine junge Nonne adliger Abstammung, in
seine Gemeinschaft auf. Durch ihre Bekehrung wurde die
Schwesterngemeinschaft der Klarissinen
gegründet, der spätere "Zweite Orden" der Franziskaner. Von den
Benediktinern bekam er die kleine Kirche S. Maria degli Angeli
unterhalb von Assisi geschenkt; Franziskus benannte sie in "Portiuncula"
um und baute daneben ein Haus, das das Stammkloster der Franziskaner
wurde.
Die Überlieferung
berichtet eine für Franziskus typische Geschichte: Ein reißender
Wolf versetzte die Umgebung der Stadt Gubbio in Angst und Schrecken.
Franziskus wollte ihm entgegentreten; aber die Bürger warnten ihn:
"Hüte dich, Bruder Franz! Geh nicht vors Stadttor! Der Wolf hat
schon viele gefressen, er wird auch dich jämmerlich töten!"
Franziskus ging dennoch ohne jeden Schutz zum Wolf in den Wald,
nannte ihn seinen Bruder und versprach ihm, für die tägliche Nahrung
zu sorgen. So zähmte er ihn; der Wolf lebte noch zwei Jahre. Von Tür
zu Tür ließ er sich in Gubbio versorgen, ohne jemandem Leid anzutun.
Nie bellte ein Hund gegen ihn, die Leute fütterten ihn freundlich,
bis er schließlich an Altersschwäche starb.
Gegen Ende des
Jahres 1212 machte sich Franziskus auf den Weg ins Heilige Land,
erlitt jedoch Schiffbruch und sah sich zur Rückreise gezwungen.
Eine
Begegnung mit Dominikus und
ein Traum, der beide bestätigt, wird von Dominikus erzählt. Als
Wanderprediger kam Franz 1212 nach Dalmatien, 1213 - 1215 bis nach
Südfrankreich und Spanien. Er wurde als "poverello" weithin bekannt
und innig verehrt; durch seine "süße Rede" beeindruckte er die
Menschen und wurde "Troubadour Gottes" genannt.
Durch
Franziskus' Predigt und seinen vorbildlichen Wandel entstanden schon
zu seinen Lebzeiten zahlreiche Klöster auch jenseits der Alpen; sie
erlangten in den wachsenden Städten neben denen der Dominikaner entscheidende Bedeutung
für Armenpflege, Seelsorge und Predigt. Immer wieder betonen die
Zeugnisse Franziskus' sanftmütige Demut allen Menschen und auch der
armen Kreatur gegenüber - alle waren ihm Schwester und Bruder, auch
Sonne, Mond und Tod, wie es sein "Sonnengesang" ausdrückt und wie es
die verschiedenen Legenden von der "Vogelpredigt" zeigen.
Zur Zeit
Franziskus' war die Gesellschaft im Umbruch von einer rein bäuerlich
strukturierten zu einer Gesellschaft, in der es erste Städte und
Anfänge einer echten Geldwirtschaft gab. Das geregelte Leben der Benediktiner fand auf diese
Umbrüche zunächst keine Antwort; Franziskus wollte nun keinen neuen
Orden gründen und kein Regelwerk vorgeben, sondern in der Zeit der
Umbrüche einfach eine Gemeinschaft bilden, die nach dem Vorbild Jesu
lebt. Gegen die Gewalt von Machthabern stellte er Jesu
Gewaltverzicht, gegen die Geldwirtschaft das Prinzip der Armut; das
Heil des Menschen war ihm wichtiger als das Vermögen.
Franziskanischer Geist ist der Protest und ein Modell gegen die
bürgerlich-kapitalstische Gesellschaft.
Bei weiteren
Reisen im Rahmen des 5.
Kreuzzuges gelang es ihm zwar 1219, in Ägypten zu predigen, jedoch
nicht, den Sultan el Malik el Kamil zu bekehren. Franziskus bot den
muslimischen Priestern die Feuerprobe an: er sei bereit, durch ein
Feuer zu schreiten um zu beweisen, welcher Glaube der richtige sei.
Der Sultan jedoch wagte diese Entscheidung nicht. Von dort aus zog
Franziskus weiter ins Heilige Land, wo er bis 1220 blieb. Nach
seiner Rückkehr fand er die Ordensbrüder in Uneinigkeit vor und trat
von der Leitung des Ordens zurück. Die nächsten Jahre verbrachte er
mit der Planung eines neuen Ordens - des späteren "Dritten Ordens",
der "Tertiare" der Franziskaner: ein Orden für Menschen, die in der
Welt nach Ordensregeln leben wollen. Eigentlich wollte Franziskus
für sich und seine Brüder keine Ordensregeln, ihm genügte die
Botschaft Jesu: "Willst Du vollkommen sein, so geh hin, verkaufe,
was du hast, und gib es Armen" (Matthäusevangelium 9, 21), aber das
Leben in der Gemeinschaft brauchte doch eine Ordnung. 1223
bestätigte Papst Honorius III. die endgültigen Regeln des
Franziskanerordens.
1222 zog Franziskus
sich in die Einsamkeit von Alverna, einem kleinen Kloster, zurück.
Auf seine Bitte, am Leiden Jesu Anteil haben zu dürfen, wurde er am
Michaelistag - nach anderer Überlieferung am Tag der Kreuzfindung -
des Jahres 1224 nach 40 Tage langem Fasten auf dem Berg La Verna
stigmatisiert: der Gekreuzigte in Gestalt eines Seraphs, von sechs
Seraphenflügeln überhöht und bedeckt, oder von einem solchen
getragen, neigte sich ihm; seitdem trug Franziskus, vom
Leidenserlebnis Christi durchdrungen, die Wundmale an Händen, Füßen
und an der Seite, aber er verheimlichte sie, so dass sie erst bei
seinem Tod erkannt wurden; dies war die erste bezeugte
Stigmatisierung der Kirchengeschichte.
Die Entbehrungen
und die Erschöpfung beeinträchtigten zunehmend seine Gesundheit,
schließlich drohte Franziskus auch zu erblinden. Zur Behandlung kam
er nach Siena, doch er lehnte weitere medizinische Hilfe ab,
diktierte sein Testament und ließ sich unter großem Geleit nach
Portiuncula zurücktragen. Dort starb er auf bloßem Boden liegend und
nackt, um auch im Sterben Jesus ähnlich zu sein, umgeben von seinen
Ordensgenossen, mit denen er gemeinsam und in froher Erwartung von
"Bruder Tod" das Abendmahl gefeiert hatte. Seine Brüder bestatten
ihn in Assisi.
Über Franziskus'
Grab wurde mit dem Bau der Doppelkirche San Francesco - sie besteht
aus zwei übereinander gebauten Kirchen - unmittelbar vor der
Heiligsprechung mit der Grundsteinlegung durch den Papst 1228
begonnen; 1253 wurde der Bau fertig gestellt . Aus Angst vor
Reliquienräubern blieb die Grabstätte zunächst unbekannt und wurde
erst 1818 gefunden; nun wurde das Grabmal geschaffen.
Zahlreiche
Heilungen und Wunder folgten dem "Pater seraphicus" auch nach seinem
Tode. Franziskus' Verehrung breitete sich durch Fülle und Innigkeit
der unmittelbar nach seinem Tod aufgezeichneten Legenden rasch aus.
Sie sind erhalten in seinem "Testament" und in den 1228 verfassten
"Legenden der drei Gefährten", die 1318 mit den Tagebuchnotizen des
Bruders Leo, des ständigen Begleiters von Franziskus, als "Speculum
perfectionis" zusammengefasst wurden. Der "Vita" des
Franziskanerbruders Thomas von Celano folgte die des späteren
Ordensgenerals Bonaventura, als "Legenda maior" 1260 verfasst. Auf
diesen Grundlagen beruhen die 60 Taten und Wundererzählungen in der Legenda Aurea.
Bis heute wallfahrten hunderttausende Menschen nach Assisi.
Reliquien werden auch in Rom, Arezzo, Florenz, Cortona und Kriens in
der Schweiz verehrt. |
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