Predigt
Weihbischof Franz Vorrath
Liebe
Franziskusschwestern,
sehr verehrte Schwestern Regina,
Roswitha und Wilhelma, sehr geehrte Gäste, liebe Schwestern und
Brüder!
Ist das nicht eine überraschende
Reaktion der Jünger? Jesus kehrt zum Vater zurück, er verlässt seine
Jünger, nachdem er sich ihnen als Auferstandener mehrere Male
gezeigt hat, und die Jünger freuen sich. Wäre nicht eher zu erwarten
gewesen, dass sie darüber traurig sind, dass Jesus sie endgültig
verlässt? Was mag wohl der Grund ihrer Freude sein?
Die österliche Freude im
Lukas-Evangelium beginnt bei der Verwunderung des Petrus über das
leere Grab. Sie steigert sich dann vom Brennen der Herzen der beiden
Emmausjünger über die ungläubige Freude aller Jünger über das
Erscheinen des Auferstandenen im Jerusalemer Versteck. Doch erst in
der Erzählung über die Heimkehr Jesu zu seinem Vater bricht die
österliche Freude uneingeschränkt durch.
Liebe Schwestern
und Brüder!
Mit den Jüngern muss in der Zeit der
Begegnungen mit dem Auferstandenen etwas tiefgreifendes geschehen
sein. Sie müssen etwas neu begriffen haben, so dass sie sich
über die Heimkehr Jesu zum Vater freuen können.
Was ist den Jüngern in der Begegnung
mit dem auferstandenen Christus neu aufgegangen? Es ist die
Erkenntnis, dass Jesus sie gar nicht alleine lässt. Es ist das
gläubige Wissen: Er ist weiterhin unter uns anwesend. Diese
Anwesenheit ist anders als seine Existenz vor dem Tod und auch
anders als seine Erkennbarkeit nach der Auferstehung. Sie hat etwas
zu tun mit der Verheißung und der Sendung des Beistands, des
Heiligen Geistes. In ihm liegt die Kraft und die Möglichkeit, Jesus
auf ganz neue Art und Weise wahrzunehmen. Er, der Heilige Geist,
wird sie zu den Orten führen, an denen Jesus aufzufinden ist, an
denen Gott in der Geschichte der Menschen weiterhin handelt.
Liebe Gemeinde!
Der Evangelist Lukas wird nicht
müde, in seinem Evangelium und in der Apostelgeschichte deutlich zu
machen: Gott handelt durch seinen Heiligen Geist. Die Menschwerdung
Jesu geschieht durch den Heiligen Geist. Jesus selbst ist der
Geistbegabte, der gesandt wurde, den Armen eine gute Nachricht zu
bringen, den Gefangenen die Freiheit zu verkünden, Kranke zu heilen
und ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen. Und jetzt geht dieser Jesus
nicht von seinen Jüngern, ohne ihnen Gottes Geist zu verheißen:
„Und ich werde die Gabe, die mein Vater verheißen hat, zu euch
herabsenden. Bleibt in der Stadt, bis ihr mit der Kraft aus der Höhe
erfüllt werdet“ (Lk 24, 49).
Jetzt endlich begreifen sie, Jesus
ist nicht weit weg, sondern ganz nah bei ihnen. Er ist nicht in der
Höhe verschwunden. Gott ist vielmehr weiterhin in der Geschichte der
Menschheit zu entdecken. Und die Jünger tragen durch Jesu Sendung
mit Verantwortung dafür, dass auch die anderen Menschen von Gottes
unbedingter Liebe zu uns erfahren.
In der Lesung aus der
Apostelgeschichte, die wir zuvor gehört haben, beschreibt Lukas sehr
anschaulich, dass die Jünger nicht auf den Himmel vertröstet werden
und sie auch andere nicht auf den Himmel vertrösten sollen. Sie
müssen sich die Frage der beiden Boten Gottes gefallen lassen:
„Ihr Männer von Galliläa, was steht ihr hier herum und schaut zum
Himmel empor?“ (Apg 1, 11a)
Durch diese Anfrage bekommen die
Jünger wieder Bodenkontakt. Sie werden wieder geerdet, damit sie
selber segnen können, so wie Jesus sie zum Abschluss gesegnet hat.
Sie sollen segnen und Segen sein, nicht vertrösten. Sie sollen den
Geist empfangen und ihn im Leben der Menschen entdecken. Gottes
Handeln in der Welt ist nicht mit Jesu Heimkehr zum Vater beendet.
Gottes Handeln in der Welt soll durch die Jünger und ihre
Gemeinschaft erfahrbar werden.
Liebe
Franziskusschwestern!
Segensreich wirkten und wirken auch
Sie und Ihr Orden. In Ihrem Dienst an den Menschen wird uns allen
deutlich, dass Sie die Freude der Jünger wohl nachvollziehen können.
Seit 85 Jahren schaut der Orden der Franziskusschwestern nicht empor
zu den Wolken, sondern wirkt dort, wo Menschen am Boden sind. In
ihnen entdecken Sie Gott selber, so wie es der heilige Franziskus
getan hat. In konkreter Hilfe wollen Sie den Menschen nahe sein und
von Gottes Nähe zu den Menschen Zeugnis ablegen.
Familienpflege, Jugendhilfe,
Krankenpflege und Altenhilfe, dort wo die Not groß ist, dort setzen
Sie sich ein. Die Zeichen der Zeit erkennen und entsprechend
handeln, sich von der Not der Zeit herausfordern lassen, das ist Ihr
Weg der Nachfolge.
Ein solcher Dienst kann nicht
verrichtet werden, ohne die Freude über den eigenen Glauben verspürt
zu haben, ohne die Freude über den gelebten Glauben in der
Ordensgemeinschaft und die Auffindbarkeit Gottes in der Welt. Für
diesen Dienst und diese Treue möchte ich Ihnen herzlich Dank sagen.
Die Freude am Herrn sei auch weiterhin Ihre Stärke.
Danken möchte ich in besonderer
Weise Ihnen, liebe Schwester Regina, liebe Schwester
Roswitha und liebe Schwester Wilhelma. Sie dürfen heute
auf fünfzig beziehungsweise vierzig Jahre Ordensleben zurück
blicken. Gott möge Sie auch weiterhin auf Ihren Lebenswegen
begleiten und Sie mit seinem reichen Segen beschenken.
Liebe Schwestern
und Brüder!
Schwester Regina
Mersmann
feiert heute ihr 50jähriges Ordensjubiläum. Sie lernte nach dem
Noviziat Krankenpflege und leitete hier im Franziskuskrankenhaus in
Essen die chirurgische Frauenstation. Ihre ganze Sorge galt den
kranken Frauen, die ihr anvertraut wurden. Nach der Übergabe des
Krankenhauses wechselte sie in das ordenseigene Altenheim in Neuss
und arbeitete anschließend auf der Krankenstation des Mutterhauses.
Heute lebt sie in Harsewinkel und wirkt dort ehrenamtlich mit.
Schwester Roswitha
Greuel,
die ebenfalls ihr goldenes Ordensjubiläum feiert, wurde mit
vielfältigen Aufgaben betraut. Sie war in der Familienpflege, im
Altenheim und in der Gemeindearbeit in Paderborn und Gladbeck tätig.
Lange Zeit arbeitete sie im Büro des Mutterhauses und half auf der
Krankenstation der Schwestern. Auch heute lebt sie im Mutterhaus und
übernimmt den Dienst an der Pforte.
Schwester Wilhelma
Jürgensmeier
feiert ihr 40jähriges Ordensjubiläum. Sie war bereits ausgebildete
Krankenschwester, als sie das Noviziat begann. Sie arbeitete vor
allem in der Familienpflege und in der ambulanten Krankenpflege. In
Mönchengladbach betreute sie einige Jahre die Teilnehmer des
Haus-Notrufs. Wie Schwester Regina lebt auch Schwester Wilhelma in
Harsewinkel und übernimmt dort ehrenamtliche Dienste.
Liebe
Jubilarinnen!
Wenn wir auf Ihre Aufgaben und
Dienste blicken, dann haben Sie vor allem dort gearbeitet, wo das
Leben der Menschen durch Krankheit und Not bedroht wird. Sicher
konnten Sie Gottes Gegenwart dort besonders spüren. Ihre Treue zu
den Menschen in Not und zu Ihrer Gemeinschaft zeigt deutlich, von
welchem Geist Sie sich leiten lassen. Mit Gottes Beistand, dem
Heiligen Geist, konnten Sie zum Segen für die vielen Menschen
werden, die Ihnen auf Ihren Wegen begegnet sind.
Sie, liebe Jubilarinnen, haben für
die Ihnen anvertrauten Menschen den Himmel offengehalten. Sie haben
Anteil daran, dass der Himmel den Menschen, mit denen und für die
Sie gearbeitet haben, nicht so weit weg erscheint, wie es ein Blick
in die Höhe vermuten lassen würde. Sie legen mit Ihrem Leben Zeugnis
dafür ab, dass der Himmel keine Vertröstung ist, sondern ganz real
und anfanghaft in unserer Welt erkennbar und erfahrbar wird.
Liebe Mitchristen!
Ein Text von Wilhelm Willms nimmt
die Frage nach dem Ort des Himmels auf und versucht Antwort darauf
zu geben. Er drückt unsere Hoffnung nach Gottes Nähe aus. Er fasst
literarisch das zusammen, was Sie, liebe Schwestern, durch Ihren
Dienst an den Menschen und in Ihrer Gemeinschaft leben.
„Weißt du wo der Himmel ist, außen
oder innen? Eine Hand breit rechts und links, du bist mitten
drinnen.
Weißt du, wo der Himmel ist? Nicht
so tief verborgen; einen Sprung aus dir heraus, aus dem Haus der
Sorgen.
Weißt du, wo der Himmel ist? Nicht
so hoch da oben; sag doch ja zu dir und mir, du bist aufgehoben.“ |